Faschismus und Gegenstrategien: Das war mein Nebelempfang 2025 3. November 20253. November 2025 Woran erkennt man Faschismus im 21. Jahrhundert – und was haben Elon Musks Mars-Pläne damit zu tun? Auf diese Fragen – und viele andere – gab es bei meinem Nebelempfang am 28. Oktober Antworten. Zu Gast war in diesem Jahr die österreichische Wissenschaftlerin und Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl, die aus Interviews, Podcasts und von ihren Social Media Profilen bekannt ist. Seit Jahren forscht zu Autoritarismus, Gewaltbereitschaft und Angriffen auf demokratische Strukturen und hat im Buch „radikalisierter Konservatismus“ herausgearbeitet, wie konservative Parteien die Talking Points der extremen Rechten übernehmen. Ein Thema, das angesichts der Stadtbild-Debatte, aber auch Blick ins europäische Ausland und in die USA kaum aktueller sein könnte. Mehr als 200 Zuschauerinnen und Zuschauer, darunter Bürgermeister und Vertreter*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung, waren ins Stadthaus gekommen. In einem Grußwort betonte der Sprecher für Wissenschafts- und Hochschulpolitik, Michael Joukov, die Bedeutung von Geistes- und Sozialwissenschaften. In einer Demokratie gehe es darum, „jeden Menschen als Menschen zu achten“, machte der Ulmer Landtagsabgeordnete der Grünen klar – und darum brauche es nicht nur MINT-Fächer, sondern auch solche, die sich den Menschen und ihrem Zusammenleben widmen: Die Grünen im Land setzten sich mit Cem Özdemir an der Spitze auch im Landtagswahlkampf dafür ein. An einen Kanzler gibt es andere Erwartungen Gastgeber Marcel Emmerich schlug in seiner Rede den Bogen von der Stadtbild-Debatte bis zu hybriden Bedrohungen. Bei Merz Stadtbild-Äußerung sei für die Menschen vor Ort „wenig herumgekommen“: Von einem Kanzler erwarte er, dass er zum einen deutlich formuliere, welche Probleme es gibt – und andererseits ganzheitliche Lösungen suchen, anstatt pauschal Migration als Problem darzustellen. Angst und Bange werde es ihm, wenn aktuell wieder über eine Abschwächung von Klimazielen oder erneut über das Verbrenner-Aus diskutiert werde, sagte Emmerich: Manche Kippunkte seien bereits überschritten, Korallenriffe unwiderruflich zerstört. Dabei gehe es nicht nur um die Verantwortung als reiches Industrieland, sondern auch darum, nicht abgehängt zu werden – China investiere massiv in E-Mobilität und Erneuerbare Energien. „Deswegen ist Klimaschutz auch immer eine Frage der Resilienz.“ Resilienz stand auch im nächsten Abschnitt seiner Rede im Fokus: Emmerich zitierte aus der Anhörung der Sicherheitsdienst-Chef*innen im Bundestag, die deutlich gemacht habe, dass es tagtäglich hybride Angriffe auf Deutschland gebe und kritische Infrastruktur ausgespäht werde. „Es kommt im Alltag der Menschen an“, sagte er mit Blick auf die Drohnensichtungen am Münchner Flughafen. Ohne Panikmache ginge es darum, sich wehrhaft aufzustellen – gerade auch bei Bevölkerungs- und Zivilschutz. Hier wolle er auch Mut machen: Es gebe sehr viele gute Leute in den Behörden und Einrichtungen und viel Engagement zum Schutz unserer Demokratie. Um Gegenstrategien ergreifen zu können, sei es auch wichtig zu verstehen, wie die Strukturen hinter den Angriffen funktionieren und wie der Faschismus sich auswirkt, leitete Emmerich schließlich auf Natascha Strobl über. Faschismus dreht sich um die Frage: „Wer darf dabei sein und wer nicht?“ Faschismus sei eine „Praxis der Gewalt“, die immer dann Aufwind habe, „wenn die demokratische Gegenwart als unerträglich wahrgenommen wird“, erklärte Strobl. Dabei spielten auch verzerrte Wahrnehmungen, Kulturkampf und Verschwörungsideologien eine Rolle, arbeitete Strobl heraus. Faschismus habe verschiedene Ausprägungen, im Kern gehe es um die Frage, „wer darf dabei sein und wer nicht?“. Aktuelle faschistische Strömungen führten eine „Revolte gegen die Postmoderne“ – die sich unter anderem in den Kulturkampf-Themen zeige – und verfolgten das Ziel, die „weiße Christenheit“ vor ihren vermeintlichen Bedrohungen zu schützen. Der Faschismus könne dabei immer weiter selektieren, wer ausgeschlossen werde – von Schwarzen Menschen über Arme bis hin zu Kranken, Behinderten oder Alleinerziehenden könne aufgespalten werden, „wessen Leben sich schickt und wessen nicht“, führte die Wienerin aus. Unterstützt würden die Strömungen von Industrien, die davon profitierten – aktuell vor allem die Tech-Industrie. Und so passten auch Peter Thiel und Elon Musk ins Bild, die von „Neo-Monarchismus“ mit CEOs an der Spitze träumen (Thiel) oder mit Plänen zur Mars-Besiedelung sicher nicht die ganze Menschheit retten wollten (Musk). Wer hilft Dir, wenn Du Dich auf den Staat nicht mehr verlassen kannst? Als Gegenstrategie nannte Strobl vor allem Gemeinschaft: „Wer hilft Dir, wenn Du Dich auf den Staat nicht mehr verlassen kannst?“, fragte sie und antwortete: Nachbarn, Vereine, Kolleg*innen – „die Leute aus Deinem nächsten Umfeld“. Diese Infrastruktur müsse man stärken. Auch zum Selbstschutz. Zum Abschluss und in der anschließenden Diskussionsrunde plädierte Strobl dafür, auf Menschen zuzugehen und nach konkreten Anliegen und Sorgen zu fragen. Dieser Forderung schloss auch Marcel Emmerich sich gerne an: Politik müsse auch vor Ort sein, an Türen klingeln und ins Gespräch kommen. Konkret solidarisch wurde es zum Abschluss des Abends auch noch. Moderatorin Dana Hoffmann und Marcel Emmerich begrüßen Stefan Brandt auf der Bühne: Der Leiter der Sozialen Dienste des DRK Ulm durfte selbst die Spendenaktion anmoderieren, in der wieder Geld für Schoko-Nikoläuse gesammelt wurde: „Damit die Kinder aus den Familien, die zu uns in den Tafelladen kommen, nicht erst zu Ostern einen Nikolaus bekommen.“ Seine Bitte wurde gehört: Mehr als 800 Euro landeten in der Spenden-Box am Ausgang.