von Marcel Emmerich MdB und Oliver Hildenbrand MdL
Wir gedenken heute, 11 Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU, seiner Opfer: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter.
Über 13 Jahre hinweg konnten die Rechtsterroristinnen des NSU unbehelligt morden.
Trotz parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und des langjährigen NSU-Prozesses sind weiterhin viele Fragen nach dem Netzwerk, der Rolle der Behörden und den Hintergründen der Taten ungeklärt. Das Versprechen einer vollständigen Aufklärung und Aufarbeitung des NSU-Komplexes ist bis heute nicht eingelöst. Das beispiellose Versagen der Sicherheitsbehörden beim NSU hat das Vertrauen vieler Menschen in den Rechtsstaat erschüttert. Um dieses zurückzugewinnen, darf kein Schlussstrich gezogen werden. Wir müssen Rechtsextremismus entschlossen und nachhaltig bekämpfen. Das sind wir den Opfern des NSU, aber auch allen anderen Opfern rechter Gewalt schuldig. Nie wieder darf die Gefahr von rechtsextremen und rassistischen Ideologien ausgeblendet oder verharmlost werden. Die Aufklärung rechtsextremer Anschläge, Strukturen und Netzwerke ist und bleibt eine zentrale sicherheitspolitische Aufgabe, um Lehren und Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Denn der rechte Terror bleibt die größte Gefahr für unsere Freiheit, Sicherheit und Demokratie. Die dauerhafte Dokumentation und die systematische Erforschung des Rechtsextremismus ist ein wichtiger Beitrag zur aktiven Verteidigung und nachhaltigen Stärkung der Demokratie. Es braucht einen wachen Blick, fundierte Kenntnisse und transparente Arbeit. Eine gute finanzielle Ausstattung, gesicherte Informationen über die Aktivitäten rechtsextremer Netzwerke und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind die Voraussetzung für wissenschaftliche Analyse und für zivilgesellschaftliches Engagement.
Die Dokumentationsstelle Rechtsextremismus im Landesarchiv Baden-Württemberg leistet dafür bereits einen wertvollen Beitrag. Sie verfügt schon heute über die größte Sammlung zum Thema Rechtsextremismus in Deutschland und wird aktuell um eine universitäre Forschungsstelle Rechtsextremismus ergänzt. Hier soll auch die bundesweit erste politikwissenschaftliche Professur für die Erforschung des Rechtsextremismus angesiedelt werden. Auf diese Weise entwickelt sich in Karlsruhe ein sichtbarer Knotenpunkt im Zusammenwirken zahlreicher Partnerinnen beim Auf- und Ausbau herausragender wissenschaftlicher Expertise, der aus unserer Sicht beispielgebend ist. Darauf lässt sich schnell und erfolgsversprechend aufbauen.
Es ist Zeit, die zahlreichen Akten, Dokumente und Informationen zum NSU-Komplex und zu weiteren rechtsterroristischen Anschlägen in einem vernetzten Ansatz zusammenzuführen. Wir schlagen außerdem vor, dass ein Begleitgremium und eine Sonderermittlungsgruppe mit Expertise aus Sicherheitsbehörden, Wissenschaft, Journalismus und Zivilgesellschaft eingesetzt werden, die dieses Archiv einer Gesamtschau unterziehen und alle verfügbaren Informationen analysieren und bewerten. So können wir sicherstellen, dass die Themen Rechtsextremismus und NSU-Aufarbeitung langfristig
angemessen bearbeitet werden – nämlich transparent, wissenschaftlich fundiert, zivilgesellschaftlich basiert und interdisziplinär vernetzt.