Berlinfahrt mit 40 Personen aus der Ukraine

Ich freue mich, dass ich einer Gruppe Ukrainer*innen und engagierten Ehrenamtlichen Einblicke ins Politische Berlin ermöglichen durfte. Ein Programmpunkt war ein Vortrag zu Fake News und Propaganda aus Russland.

Im April hatte ich eine ganz besondere Besuchsgruppe nach Berlin eingeladen: Carmen Stadelhofer, Vorsitzende des Vereins ILEU, hatte gefragt, ob eine Fahrt insbesondere für Ukrainer*innen möglich wäre, die Interesse daran haben, das politische System in Deutschland besser kennenzulernen und in Berlin den Bundestag und weitere Institutionen zu besuchen. Das habe ich gerne zugesagt – und rund 40 Ukrainer*innen (die meisten davon Frauen) sowie einige ehrenamtliche Mitarbeiter*innen der Ukrainehilfe von ILEU nahmen die Einladung des Abgeordneten an. Ich habe die die Gruppe am Ulmer Hauptbahnhof und begrüßt und sagte dabei zu, mich auch weiterhin für die Unterstützung der Ukraine stark zu machen.

Die Gruppe reiste mit dem ICE von Ulm nach Berlin. Auf dem Programm standen beispielsweise eine Stadtrundfahrt, Besuch und Führung im Deutschen Bundestag, Besuch in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen, im Futurium, in der Mauer-Gedenkstätte Bernauer Straße und Rundgänge beim Holocaust-Mahnmal und im Nikolaiviertel standen auf dem Programm.

Ein Höhepunkt der Reise war ein Besuch in der Bundeszentrale für Politische Bildung (BPB), zu deren Kuratorium ich gehöre. Dort hielt der Referent und Medienkulturwissenschaftler Profss Gernot Wolfram, einen Vortrag zum Thema Fake News/Lügen in Zeiten des Krieges mit einem Schwerpunkt auf Putins Angriffskrieg.

Vortrag bei der Bundeszentrale für politische Bildung

Im Vortrag, der von ILEU-Mitarbeiterin Olena Vorontsova ins Ukrainische übersetzt wurde, ging es um die Frage, warum so viele Menschen Fake News und Verschwörungserzählungen glauben und welche Rolle Medienkultur dabei spielt. Wolfram stellte dar, wie insbesondere in der Corona-Pandemie das Narrativ „Die Mainstream-Medien belügen euch“ im russisch kontrollierten Fernsehkanal RT DE (Russia Today Deutsch) und in so genannten Alternativen Medien verbreitet und groß wurden. In diesen Kanälen seien dann Viele nach Beginn des Angriffskriegs „über Nacht zu Osteuropa-Experten geworden“ – was vor allem deshalb verfangen konnte, weil es in Deutschland für diesen Konflikt wenige Experten gebe und Menschen daher empfänglich für Lügen seien. Das Unwissen führte Wolfram – anhand von Zahlen – beispielsweise darauf zurück, dass es in Deutschland ZU WENIGE Lehrstühle für Ukrainistik gebe, in den Haupt-Fernsehprogrammen bis zum Beginn des Krieges kaum einmal Filme aus Osteuropa gezeigt wurden und es nur wenige festangestellte Korrespondent*innen für Deutsche Medien VOR ORT in Kiew und der Ukraine insgesamt gab: Es mache einen deutlichen Unterschied, ob Korrespondent*innen nur anlassbezogen aus Moskau oder Polen in die Ukraine reisten oder dort lebten, sagte Wolfram.

Auch die verschiedenen Bildsprachen in der Kommunikation Russlands und der Ukraine stellte der Wissenschaftler gegenüber. Während Russland sehr auf die Erhabenheit Putins und die Distanz setzt, ist die Strategie der Ukraine Nähe. Wolfram zeigte das am Beispiel des sinnbildlich übergroßen weißen Tischs, der auf Bildern optisch noch geschickt so angeschnitten wird, dass die Person gegenüber Putins – beispielsweise Bundeskanzler Olaf Scholz – noch kleiner wirkt.

Wolfram nannte die wichtigsten Strategien zur Verbreitung von Fake News – darunter das Trollen, das meist online stattfinde – hin und wieder begegneten ihm aber auch bei seinen Vorträgen Trolle. Zum Beispiel sehr gut Deutsch sprechende Akademikerinnen, die sich etwa als Ärztinnen vorstellten, von kürzlichen Aufenthalten in Russland erzählten und ihm versicherten, dort herrsche Meinungsfreiheit. So würden auch direkt in den Vorträgen Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit gestreut, sagte der Wissenschaftler.

Die Informationen führten zu einer regen Diskussion mit den Besucher*innen, für die es beispielsweise schwer nachvollziehbar war, dass RT DE bis März 2022 in Berlin drehen und senden durfte.

Der Vortrag, aber auch die Eindrücke aus dem Bundestag, den Gedenkstätten und den Gesprächen mit Marcel Emmerich und seinen Mitarbeiter*innen regten die Reisenden zu weiterem Austausch und eigenen Recherchen an: Bis spät in den Abend diskutierte die Gruppe, viele nahmen sich weitere Informationen der Bundeszentrale für Politische Bildung mit und fragten nach der Möglichkeit, sich selbst zu engagieren – beispielsweise gegen die Verbreitung von Fake News.“

Ich freue mich, dass ich zu diesen Fahrten, die vom Bundespresseamt organisiert werden, einladen darf. Sie finden drei mal im Jahr statt und werden über mein Wahlkreisbüro koordiniert. Bei Interesse können Sie sich unter marcel.emmerich.wk@bundestag.de melden (allerdings sind für dieses Jahr voraussichtlich keine Plätze mehr frei).